Mittwoch, 23. Januar 2008

Freier Fall? Nein, danke!


Ich stand an einer Klippe: Hinter mir meine bizarre Schulzeit, vor mir der Sprung zum heiß ersehnten Studentendasein. Doch anstatt kopfüber abzuspringen und ein Studium im Bereich Kultur anzugehen, ließ ich mir lieber Zeit und ging den scheinbar angenehmeren Umweg, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Dies ist der Einblick in eine falsche Entscheidung für einen Menschen, der ein FSJ nur zur Überbrückung nutzen wollte.

Da saß ich nun, an diesem hässlichen, schlumpfblauen Schreibtisch und vertrieb mir die Zeit mit Papierschnipsel schneiden und Uhr-Fußboden-Anstarr-Spielen. Zwischendurch unterstützte ich die schlüpfrige Bürokratie und kopierte fleißig/ sinnlos Papiere und heftete sie ab. Meine Lieblingsaufgabe war das Geschirrspüler ein- und ausräumen und nicht zu vergessen: das Uhr-Fußboden-Anstarr-Spiel. Dennoch blieben komplizierte, nervenaufreibende Aufgaben wie Theke wischen, Post holen oder von der anderen FSJlerin das Ohr abkauen lassen nicht aus. Kurz gesagt: Meine Einsatzstelle ein Witz ohne Pointe, mein Chef ein Mann ohne Durchblick, meine Arbeit wie keine Arbeit, mein Lohn eine Hanswurst und meine Laune im Arsch.

Diese „Arbeits“-ruine stellte zwei FSJler ein, um einen Bereich abzudecken, der dem Anspruch des Furzens und der Arbeitsquantität eines Heuballens gleicht. ¾ meiner Arbeitszeit verging mit Nichtstun und Internet-Surfen. Meine FSJ-Kollegin ging mir tierisch auf den Geist mit ihrer Türquietsch-Stimme und ihren langatmigen Anekdoten. Jeden Abend kam ich mit schlechter Laune nach Hause. Jeden Abend verfluchte ich mich und dieses Jahr. Jeden Abend wollte ich ausbrechen!

Warum kam es erst überhaupt zu diesem Reinfall? Weil ich auf dem Bewerbungsbogen für ein FSJ den Bereich „Kulturelle Einrichtungen“ ankreuzte und mit der Hoffnung verblieb eine Einsatzstelle zu erhalten, welches mir näher lag als Altersheim oder Behindertenbetreuung. Doch statt Recherchearbeiten, Projektorganisation und dergleichen, besetzte ich eine Stelle, die mit der alleinigen Anwesendheit zu 95 Prozent ausgefüllt wurde.

Anfang Januar wechselte ich die Einsatzstelle und bin nun im Krankenhaus tätig. Im Bereich der Anästhesie bin ich jetzt jeden Tag auf Achse und werde gerne überhäuft mit Aufgaben: die Bestellung von Medikamenten, Operationsgeräten und Essenmenüs der Ärzte, die Reinigung und Entsorgung von benutzen Operationsgeräten, Betreuung der Patienten in der Aufwachstation. Protokoll führen, Patienten ankabeln und in den Operationssaal einschleusen, ausschleusen, bei Operationen dabei sein und beobachten, das Lager kontrollieren...soll ich aufhören? Es ist jedenfalls viel zu tun und ich fühle mich gebraucht und gleichermaßen nützlich. Die Arbeitszeit vergeht wie im Fluge und ich komme nicht mehr jeden Abend mit schlechter Laune nach Hause.

Ich brauchte dieses Jahr um mich auf mein Studium vorzubereiten, Geld zu sparen um sich über Wasser halten zu können für das kommende Studentenleben und die Erfahrung selbst, was bringt mir das FSJ. Mein Abitur war keine Glanzleistung, sodass ich mit dem FSJ Wartezeiten ergattern wollte um eine bessere Chance für einen Studienplatz zu erhalten. Diese Gründe sind nicht unbedingt günstig um zufrieden und erfolgreich ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren. Vielmehr sollte der Mensch, die in den Bereichen Pflege, Pädagogik und dergleichen das FSJ als Chance nutzen um in Krankenhäusern, Altersheimen, Jugendeinrichtungen etc. reinschnuppern zu können um ein Bild von ihren Berufstraum zu erhalten.

Doch ich rate jedem FSJ-Interessierten niemals den Fehler zu begehen und den Bereich „kulturelle Einrichtungen“ anzukreuzen oder möchtest du das Uhr-Fußboden-Anstarr-Spiel wagen?

Sonntag, 6. Januar 2008